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Kölner Kette um den Kölner Gipfel

Impressionen und Gedankensplitter zum Weltwirtschaftsgipfel 1999

von Christa Riemer

Pünktlich um 5.30 Uhr im noch nächtlich stillen Nürnberg ist unser Bus bis zu letzten Platz gefüllt; die jüngste Teilnehmerin gerade 5 Jahre alt, neben mir ihr zwölfjähriger Bruder aus Herzogenaurach. Der strömende Regen läßt uns fröstelnd zusammenrücken; die meisten versuchen noch ein wenig verlorenen Nachtschlaf zu erhaschen. Nach 5 ½ Stunden Fahrt erreichen wir bei inzwischen strahlender Sonne unser Ziel. Das zum Parken vorgesehene Stadion ist schon fast mit Bussen gefüllt. 1000 Busse werden erwartet für die Menschenkette der 50 000 über 11 km - durch die Innenstadt hinüber zum anderen Rheinufer, der Tagungsort der wenigen "Großen" dieser Welt unüberhörbar und unübersehbar eingekreist durch die vielen Kleinen. - "Wir sind das Volk" - "Gemeinsam sind wir stark" - Die Mahnung kommt an. Um uns sprudelndes Leben: Die Jüngsten im Kinderwagen, Behinderte im Rollstuhl, Ordensleute, Senioren mit bunten Tüchern, Plakaten, lange Ketten ...

Die Sprache vielstimmig, fröhlich - ermutigende Aufbruchstimmung - Europa wächst zusammen: "Drop the dept!" "Dept costs lives!" "Wir bleiben am Ball!" "Wir lassen nicht locker!" "Wir machen weiter!" "Die Armen gehören mit an den Tisch!"

"Ein Teilerfolg von 70 Mrd. Schuldenerlaß ist erst ein Anfang, nicht das Ziel!", so der Präsident von misereor - bei der Übergabe der 17 Millionen Unterschriften an Bundeskanzler Schröder.

"Wir haben Schritte eingeleitet, die Sie nicht befriedigen werden; wir werden den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen", antwortet dieser und dankt "für die Mühe".

Der voranschreitenden Globalisierung der Märkte und der Wirtschaft muß eine Globalisierung der Solidarität folgen. "Wir fordern den G-8-Gipfel, auf, auf Weltbank und IWF entsprechend Einfluß zu nehmen, daß sie ihre Programme ändern, damit Armut wirksam bekämpft werden kann, nicht zuletzt im eigenen Interesse der reichen Industrieländer", ergänzt Heidemarie Wieczorek-Zeull, die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die anders wollte, wenn sie könnte. "Daß noch immer 780 Mrd. für Rüstung ausgegeben werden, während 40 Mrd. ausreichen würden, die Grundbedürfnisse der Entwicklungsländer zu befriedigen (= Frieden schaffen), ist ein Skandal, mit dem wir uns nicht abfinden", erklärt sie und reiht sich in die Menschenkette ein, unterstützt von Norbert Blüm, der das Schlagwort Globalisierung mit Menschlichkeit und Gerechtigkeit füllen möchte: "250 Millionen Kinder werden gezwungen zu arbeiten, anstatt zur Schule zu gehen, während 850 Millionen Erwachsene zu Arbeitslosigkeit verurteilt sind."

Wer kann sich noch gut fühlen und solchem Wahnsinn gleichgültig zusehen?

Bischof Camphaus aus Limburg spricht das Kirchenvolk an der Basis an: "Wir sind die Kirche, wir können und wollen etwas in Bewegung setzen, deshalb sind wir heute hier. Aus der Friedewnsbewegung der 80er Jahre ist die ökologische Bewegung geworden, die sich nun zur Eine-Welt-Bewegung entwickelt."

Einst sagte Dom Helder Camara: "Wer Brot verteilt, der ist heilig. - Wer das Recht auf Brot einfordert, der ist links. - So darf es nicht weitergehen!!"

Wie wird es weitergehen?

Bis zum Ende des Jahres 2000 haben wir noch viel vor, meint die Kampagne Erlaßjahr 2000.

- Die Beschlüsse des Weltwirtschaftsgipfels müssen genau geprüft werden.

- Weitergehende Entscheidungen werden einzufordern sein.

- Die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen muß überwacht werden.

- Die Neuordnung des internationalen Schuldenmanagements im Sinne eines internationalen Insolvenzrechts steht noch aus.

Einen langen Atem und viel Erfolg wünschen wir uns, allen Verbündeten und Betroffenen.

Christa Riemer

Netz-Info, Sommer 1999
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