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Ein offener Brief aus Indien an die Welthandelsorganisation (WTO)

Anfang Januar 2000 überreichten bei einer "Partnerschaftstagung 2000" der "Confederation of Indian Industry", der indischen Version des deutschen Industrie- und Handelstages, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen den anwesenden Delegierten einen offenen Brief an den Generaldirektor der WTO, Michael Moore. Seine Hauptaussagen werden hier dokumentiert:

"Unsere Toleranz ist zu Ende!

Schon mehrere Jahre lang sind die Menschen in Indien schweigende Zeugen der systematischen Versuche der reichen Länder gewesen, die Entwicklungsländer unter dem Deckmantel des Freihandels zu rekolonisieren.

In den vergangenen Jahren hat die WTO ... den Diebstahl, das Rauben und Plündern des biologischen Reichtums und des traditionellen Wissens Indiens legitimiert. Ihr Patentregime ist entwickelt worden, die Biopiraterie in den an Biodiversität reichen Ländern zu erleichtern. Wir wissen, daß fast 90 % der geschätzten 45 000 Planzen- und 81 000 Tierarten Indiens schon illegal in den USA gelagert sind.

Um die wirtschaftlichen Interessen von einigen wenigen Millionen Bauern auf den beiden Seiten des Atlantik zu schützen, hat die WTO ein Abkommen über Landwirtschaft abgeschlossen, das darauf abzielt, die 550 Millionen indischen Bauern zu marginalisieren und die Nahrungssicherheit des Landes unbeherrschbaren Risiken auszusetzen. Für uns ist das Überleben unserer Klein- und Kleinstbauern, die das Rückgrat unserer Wirtschaft ausmachen, genauso unabdingbar wie der Schutz der demokratischen Traditionen dieser großen Nation.

Die Mehrheit der Kleinunternehmen Indiens hat schon aufgeben müssen. Der Pharmasektor, der bisher der Bevölkerung Medikamente zu erschwinglichen Preisen lieferte, ist am Rande des Scheiterns. Transnationale Konzerne, deren Interessen Ihre Organisation eigentlich vertritt, haben schon damit begonnen, unsere Ressourcen zu plündern und außer Landes zu schaffen. ...

Wir können all das nicht so weitergehen lassen. Dies ist eine Warnung des indischen Volkes an Sie. Wir werden kein globales System hinnehmen, das nur die Reichen und die Mächtigen schützt und unterstützt - auf Kosten des Lebens der Millionen von Armen und Hungrigen. Mahatma Gandhi hat uns gelehrt, daß das Dulden von Ungerechtigkeit ein Verbrechen ist. Wir werden also keine Art von Zwang, Drohung und Ungerechtigkeit mehr hinnehmen.

Sie wissen vielleicht, daß wir eine lange Geschichte des Kampfes gegen Piraten und Kolonialherren haben. Wenn notwendig, werden wir diesen Kampf wieder aufnehmen."

G.S.

Netz-Info, April 2000
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