In letzter Zeit, nein, schon ziemlich lange, ist uns ein ganzer Kontinent fast völlig aus dem Blickfeld geraten: Afrika. Deswegen ist das NETZ-Info besonders glücklich, dieses Mal gleich aus drei afrikanischen Staaten berichten zu können, aus der Demokratischen Republik Kongo, aus Simbabwe und aus Tansania, von Menschen, die sich aufgemacht haben, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, von Demokratisierungsansätzen, von Alphabetisierung und von ökologischer Landwirtschaft, alles Ansätze, die unserer Unterstützung bedürfen.
Zweieinhalb Wochen beherbergten wir einen Gast aus Harare in unserem Haus. Was steckt dahinter? Harare ist eine der Partnerstädte der Landeshauptstadt. Da seit einiger Zeit es keine demokratisch legitimierte Stadtverwaltung in Harare existiert, sind die offiziellen Kontakte auch auf der Münchner Seite eingefroren. Um so lebhafter sind die Kontakte auf Bürgerebene. In Harare gibt es einen Verein Harare Munich Friendship Association (HAMUFA) als Partner zu eine Arbeitsgruppe im Münchner Nord-Süd-Forum. Im Rahmen dieser Gruppen gab es verschiedene Besuche in beiden Richtungen. Dabei wurde eine Bürgerbewegung in Harare entdeckt, die Combined Harare Residents Association (CHRA) mit Gruppen in den verschiedenen Stadtteilen. Diese Bewegung sieht sich als bürgerliche Kontrollbewegung der Stadtverwaltung gegenüber. Im vergangenen Oktober organisierte die Münchner Arbeitsgruppe einen Workshop in Harare gemeinsam mit Münchner Bürgergruppen und CHRA. Unser Gedanke war dabei:
die Demokratiebewegung in Simbabwe zu stärken, aus den Erfahrungen der Bürger von Harare für unsere Bürgerinitiativen zu lernen. Ein Rückbesuch von CHRA zu einem Workshop in München ist geplant.
CHRA hat durch gerichtliche Eingaben gegen den Widerstand der Staatsregierung erreicht, dass gleichzeitig mit der kürzlichen Präsidentenwahl auch der Stadtrat und Bürgermeister neu gewählt und von der Opposition so überzeugend gewonnen wurde, dass eine Fälschung dieses Ergebnisses nicht mehr möglich war.
Eine Randbemerkung: Wir deutschen Wahlbürger können uns von dem Eifer, mit dem die Simbabwer sich an der Wahl trotz massiver Behinderungen beteiligten, eine Scheibe abschneiden
David Samudzimu, der Vorsitzende dieser Bewegung, hat sich dabei so sehr exponiert, dass er Ziel der die Wahlen begleitenden und noch nicht nachlassenden Verfolgung von Oppositionellen wurde. CHRA sandte ihn daher nach München, um den geplanten Workshop vorzubereiten und ihn damit dem Zugriff der Machthaber in Simbabwe zu entziehen.
Mit Hilfe des Münchner Nord-Süd-Forums nahm er Kontakt zu vielen Münchner Bürgergruppen und Repräsentanten der Stadt auf: Er besuchte das EineWeltHaus, wo auch das Nord-Süd-Forum untergebracht ist, das Selbsthilfezentrum, FöBE - Verbund zur Förderung Bürgerschaftlichen Engagements, die Aktionswerkstatt G'sundheit, das Interkulturelle Forum, den 3. Bürgermeister, Hep Monatzeder, sowie einige Stadträte, das Ökologische Bildungszentrum, Vertreter eines Bezirksausschusses, das Büro des Bereichs 'Eine Welt' der Agenda 21, das Informationszentrum "Plantreff", das Wahlbüro im Innenministerium und das Selbsthilfenetz LETS.
Uns als langjährige Münchner Bürger haben diese Besuche deutlich gemacht, was es alles an Initiativen in unserer Stadt gibt, wovon wir nur geringe Ahnung hatten, die aber auch untereinander wenig Kontakt haben. Es kann ein Nebeneffekt der Kontakte zu Harares Bürgerbewegung sein, dass der Kontakt unserer Initiativen untereinander intensiviert wird. Für uns persönlich, war es eine ermutigende Erfahrung, einen Menschen kennen zu lernen, der in seinem profanen Engagement seinem christlichen Glauben verbunden ist und daraus Kraft schöpft.
Wir hatten David mit ins Wahllokal genommen, als wir unser kommunales Wahlrecht wahrnahmen. Er staunte über die Liste von über 700 Kandidaten für den Stadtrat und über die Möglichkeiten des Panaschierens und Kumulierens.
Dr. Bernt Lampe
Die heutige Republik Kongo in Zentralafrika, welcher der mächtige Strom Kongo ihren Namen gab, nachdem sie eine Zeit lang "Zaire" geheißen hat, ist das Ergebnis vieler Umwälzungen von der belgischen Kolonie über einen Einheitsstaat und etliche äußerst mörderische Aufstände bis zur "Demokratischen Republik Kongo", in der nun deren Staatsbürger noch immer an den Folgen der Kriege zwischen Tutsi und Hutu in den östlichen Nachbarstaaten Ruanda und Burundi mit all ihren Schrecken von Massakern, Flucht und Vertreibung leiden.
Im goldreichen gebirgigen Osten um den Kivusee sind die Menschen auf sich selbst gestellt, die staatliche Ordnung konnte noch nicht wiederhergestellt werden, die Landbevölkerung hat ihren Großviehbestand in den andauernden Kriegen eingebüßt, auch Saatgut und Samen für die Landwirtschaft sind rar.
Dort leben viele Christen, evangelische, katholische und vor allem Baptisten. Eines ihrer Zentren ist das Dorf Muku, 2 Geh-Stunden oberhalb der Stadt Bukavu, mit 14 verstreuten Pfarrgemeinden, mit Elektrizität, wenn das Hauptwerk liefert, einer mit deutscher Kirchengemeindehilfe gebauten Wasserleitung - und einem funktionierenden Schulsystem. Fuliro Muganda ist der Leiter der Schule und hielt sich ein halbes Jahr in Deutschland auf. Mit ihm hatte ich Gelegenheit zu sprechen:
In den 14 Dörfern besuchen 100 Kinder den Kindergarten (Vorschule), 500 Schüler die Grundschule und 400 die weiterführende Schule in Muku. Für den Unterricht garantieren 18 Lehrer und 2 Direktoren, die täglich jede Klasse einmal besuchen. Zwar ist eigentlich der Staat für ein funktionierendes Schulsystem und dessen Unterhalt zuständig, aber die Regierung des Kongo ist leider an einer Alphabetisierung ihrer Bürger nicht interessiert. So müssen sich die Schulen selbst tragen, und jeder Schüler zahlt Schulgeld, 1 US$ im Kindergarten und in der Grundschule, 2 US$ in der weiterführenden Schule, nicht wenig in einer Gegend, wo die Mehrheit der Bevölkerung keine bezahlte Arbeit finden kann, weswegen auch Lebensmittel als "Schulgeld" gelten können. Das "Lehrergehalt" beläuft sich auf 12 bis 20 US$. Dabei ist zu bedenken, dass 1 US$ den Gegenwert von 1 kg Bohnen oder 2 kg Maniuk bedeutet. Die kleinen Schulhäuser mit zwei bis drei Unterrichtsräumen werden von Eltern selbst gebaut, entweder in Lehmbauweise oder mit Ziegel - wenn aus Deutschland Unterstützung kommt, denn aus eigener Kraft wäre das Baumaterial nicht zu bezahlen.
Der Lehrplan des Kindergartens entspricht etwa dem in Deutschland, in der Grundschule werden wie überall Lesen, Schreiben, Rechnen gelernt, die weiterführende Schule bereitet darüber hinaus mit Kursen in Landbau, Mathematik und Pädagogik auf einen zukünftigen Beruf vor - falls man einen Arbeitsplatz findet, oft ohne jegliche Bezahlung.
Die Schule hat aber noch eine weitere wichtige Aufgabe für die Gemeinschaft zu leisten: Im Schulgarten bauen die Kinder gemeinsam Gemüse an und lernen neue Gemüsearten kennen, sie züchten Meerschweinchen und andere Kleintiere als "Eiweißlieferanten", die sie mit nach Hause nehmen dürfen. So leistet die Schule durch ihr Beispiel einen Beitrag zu gesunder Ernährung und zur Wiederbelebung der Landwirtschaft, denn jede Familie muss letztlich auf dem eigenen Stückchen Land dafür sorgen, dass sie ihre eigene Ernährung erwirtschaftet. Gleichzeitig machen die Kinder ihre Eltern mit vernünftigen Formen gemeinsamen Arbeitens, neuen ertragreichen Gemüsen und mit der Kleinviehzucht als Eiweißlieferanten bekannt. Dass die Erwachsenen diese Botschaft des Schulbesuchs ihrer Kinder begriffen haben, zeigt ein Gemeinschaftsprojekt des Kirchensprengels: Auf Gemeindegrund werden neue Anbauweisen (ohne Kunstdünger) in gemeinsamer Arbeit ausprobiert und eingeübt.
Durch das Zusammenwirken von Schule, Kirche und Gemeinden erweist sich der baptistischen Kirchensprengel Muku als überlebensfähiges Gemeinwesen, so stark, dass die Dörfer während des Krieges in Ruanda mehr Flüchtlinge aufnehmen konnten, als sie selbst Einwohner hatten. Und noch eine Besonderheit: Die "Fremden" waren ohne jeden Unterschied willkommen und wurden in das Leben integriert ... Christen gewähren Gastfreundschaft.
Also ist Muku ein kleines "Paradies"? Nein! Es ist der Beweis, dass die Solidarität einer deutschen Kirchengemeinde mit engagierten Christen wirklich "Hilfe zur Selbsthilfe" geben kann. Nur so konnten Wasserleitung und Schulhäuser gebaut, Lehr- und Lernmaterial ergänzt und die Fortbildung der Lehrer ermöglicht werden. Der Förderverein für Schulen in Afrika "Helft Kindern lernen" der evangelischen Kirchengemeinde Altenburg unterstützt seit Jahren tatkräftig den Kirchensprengel Muku und gibt gern weitere Auskünfte.
Hier die Adresse der Geschäftsstelle: Ilme Willberg, In der Au 8, 57638 Schöneberg, e-mail: HKLWillberg@t-online.de
Gudrun Schneeweiß
Umweltschutz in der Landwirtschaft ist auch in Tansania ein Thema mit Fragezeichen. Die Versuchung ist groß, schnelle Ertragssteigerungen durch radikale Eingriffe in den Naturhaushalt - Abholzung, großflächige Pflügung und massive Düngung - zu erreichen. Das führt vielfach zu einer Übersäuerung des Bodens und damit zu einem Ertragsrückgang. Der Diplomagraringenieur Br. Thomas M. Bertram hat über 13 Jahre hinweg mit den Kleinbauern der Region Ruvuma (Südtansania) Formen eines schonenden Umgangs mit der Natur entwickelt.
Redaktion: Von 1987 bis Ende 2000 hast du in Peramiho das ökologische Projekt "Kilimo Cha Mseto" geleitet. Was verbirgt sich hinter diesem geheimnisvollen Namen?
Br. Thomas: Der ursprüngliche Name "Aspro", also Agro-Silvo-Pastoral Projekt, traf unser Anliegen noch besser. Es geht um die Einführung einer Mischkultur von Ackerbau, Wald und Viehhaltung. Diesen ersten Namen mussten wir aber aufgeben, da "Aspro" in Tansania Aspirin bedeutet und die Leute immer wieder Aspirintabletten von uns wollten. Der danach benutzte Name "Kilimo Cha Mseto" heißt "Mischkultur in der Landwirtschaft" und steht gegen die Monokultur, die in den Tropen weit verbreitet ist. So wird in der Region um Peramiho vor allem Mais angebaut. Neben der totalen wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Maispreis hat das zur Folge, dass der Boden nach einiger Zeit umkippt und sauer wird. Denn Mais entzieht wie kaum eine andere Pflanze dem Boden Nährstoffe und baut den Humusgehalt ab. Der Ertrag geht kontinuierlich zurück, wenn man nicht ständig mineralischen Dünger, also vor allem Stickstoff nachgibt, was zu r Abhängigkeit der Kleinbauern von der Chemoindustrie führt. Die chemische Düngung beschleunigt oft noch die Übersäuerung des Bodens, so dass Säuregehalte bis um 3-3,5 pH entstehen und Maisanbau unmöglich wird.
Redaktion: Wenn ich recht verstehe, ging es neben der Wahrung der natürlichen Umwelt also darum, den afrikanischen Bauern zu mehr Selbständigkeit und zu einer besseren Existenz zu verhelfen?
Br. Thomas: Genau. Üblicherweise ist es so, dass die Ankäufer den Bauern sagen, was sie anbauen sollen, und die Industrie, wie sie es machen sollen, was dann in eine Spirale von Abhängigkeit und Ausbeutung hineinführt. Wir haben in unserem landwirtschaftlichen Zentrum mit den Leuten zusammen Alternativprojekte ausgearbeitet, auch viel experimentiert, damit diese besser landwirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge verstehen und planen anstatt nur reagieren können. Ich selbst habe ständig dazugelernt.
Redaktion: Könntest du etwas erklären, wie in den Tropen ökologischer Landbau abläuft?
Br. Thomas: Bei der organischen Landwirtschaft geht es zunächst um einen behutsamen Umgang mit dem Boden, so dass dieser sehr humos, gut durchwurzelt ist und eine große Vielfalt an Bodenbakterien enthält. Dadurch sollen gesunde Pflanzen und Tiere gefördert werden, die in einer optimal gestalteten Umwelt leben.
Redaktion: Das klingt eigentlich wie der biologische Landbau, den wir auch hier in Deutschland kennen.
Br. Thomas: Im großen und ganzen ist das auch dasselbe, nur eben an afrikanische Verhältnisse angepasst.
Redaktion: Wo habt Ihr Euch denn angepasst?
Br. Thomas: Ganz wichtig ist in Tansania die Baumintegration, was im europäischen Raum keine große Rolle spielt. In Tansania dagegen ist Holz in 90% der Haushalte die einzige Energiequelle für Kochen und Heizung. Deswegen kommt es auch zur ungeheueren und erschreckenden Abholzung riesiger Waldgebiete. So habe ich einmal beobachtet, wie ein neues Dorf entstand und in wenigen Jahren ganze Wälder im Umkreis verschwanden. Wir haben uns daher bemüht, die Kleinbauern zum Anbau von Hecken und stark wachsender Bäume zu bewegen. Hier haben wir vor allem Bäume aus der Familie der Leguminosen, also Schmetterlingsblüter, herangezüchtet und propagiert. Diese Bäume haben die Fähigkeit, den Boden zu verbessern, indem sie dem Boden Luftstickstoff mit Hilfe von Bakterien zuführen und ihn gleichzeitig lockern. Damit hat der Baum mehrere Vorteile: er trägt bei zur Bodenverbesserung und zum Erosionsschutz und auch das Holz und die Nüsse oder Früchte lassen sich verwerten. Mit den Blättern kann man zudem noch Tiere füttern, so dass eine relativ kostengünstige Viehhaltung entsteht, deren Mist wiederum dem Boden als Dünger zugute kommt. Letztlich entsteht durch diese Mischhaltung ein geschlossener natürlicher Kreislauf von Produktion und Regeneration des Bodens, während die industriell betriebene Landwirtschaft nur durch ständige Zugabe von Dünger arbeiten kann und natürliche Lebensräume verschwinden lässt.
Redaktion: Muss man aber nicht einräumen, dass die industrielle Landwirtschaft gegenüber den Alternativformen zu einer Steigerung des Ertrags und damit auch des Einkommens führt?
Br. Thomas: Das dachte ich eigentlich auch. Aber dann haben wir einmal im Raum Peramiho und Songea über zwei Jahre hinweg Untersuchungen durchgeführt. Und ich war selber ganz überrascht, als sich dann zeigte, dass unsere Bauern beinahe das Dreifache gegenüber den traditionellen Methoden verdienen. Natürlich hat das aber auch damit zu tun, dass wir Mischanbau betreiben. Wir sind also nicht wie die Maisbauern hundertprozentig von den jeweiligen Ernteergebnissen und vom Maispreis abhängig.
Redaktion: Wie habt Ihr denn die Leute erreicht?
Br. Thomas: Wir haben die Bauern und Bäuerinnen regelmäßig zu Seminaren und Vorträgen eingeladen. Dort haben wir unsere Anbauweise vorgestellt; die Leute konnten nachfragen und Saatgutproben mitnehmen. Natürlich haben wir zuerst in der näheren Umgebung gewirkt, sind aber auch bis nach Kenia gefahren.
Redaktion: Habt Ihr dabei auch mit Genossenschaften und staatlichen Stellen zusammengearbeitet?
Br. Thomas: Erstaunlicherweise sind in diesem Land, in dem über 80% der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt, kaum irgendwelche Zusammenschlüsse der Bauern vorhanden. Mein Eindruck war, dass dies auch nicht erwünscht ist, weil sonst auf einmal die Bauern zu einem wichtigen Machtfaktor werden.
Redaktion: Dein Projekt wurde vor einem Jahr abgeschlossen. Wirkt es noch irgendwie weiter?
Br. Thomas: In unserem Zentrum konnten wir über die Jahre hinweg ungefähr 3000 Kleinbauern weiterbilden. 1994 haben wir außerdem die "Kihata", eine landesweite Organisation für "Organischen Landbau in Tansania" gegründet, der heute ungefähr 1000 Mitgliedern und 14 Organisationen angehören. Diese Dachorganisation berät die Mitglieder in allen Fragen des organischen Landbaus bis hin zur Vermarktung.
Abdruck aus den Missionsblättern Nr. 17, 1/2002, mit freundlicher Genehmigung der Erzabtei St. Ottilien.
Netz-Info, Juni 2002