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Afrika: Konkret größere Schuld

von P. Dr. Othmar Noggler

Darum liegt die größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat" ( Joh 9,11)

Schuld ist nicht gleich Schuld. Das lehrt uns die Vernunft, zeigt uns auch das Wort Jesu vor Pilatus. Obwohl der Statthalter Roms es ist, der das Urteil ausspricht und vollstrecken lässt, das eigentliche Urteil hatten die Gegner Jesu gefällt.

Pilatus ist dabei keineswegs schuldlos. Die größere Verantwortung und in diesem Fall Schuld, trifft jedoch diejenigen, die seine Hinrichtung betrieben.

Die Frage nach Schuld oder Verantwortung, größerer Schuld und größerer Verantwortung wird in den folgenden Gedanken - nicht immer deutlich ausgesprochen -, aber immer als Frage beim Thema: "Afrika, der ausgelieferte Kontinent" mitgedacht.

"Darum liegt die größere Schuld bei dem, der mich Dir ausgeliefert hat"

"Schwarz bin ich und doch schön" heißt es im Hohen Lied der Liebe, im "Lied der Lieder", wie die hebräische Überschrift dieses einzigartigen Buches der Bibel lautet.

Die Schönheit der Menschen Schwarzafrikas, die Schönheit und der Reichtum dieses Kontinents haben sich geradezu als Fluch erwiesen und seit Menschengedenken fremde Begehrlichkeiten geweckt. Ägypter, Phönizier, Griechen und Römer, Araber und die neuzeitlichen Kolonialmächte haben sich skrupellos der schwarzen Menschen und ihrer Heimat bedient. Trotz einer Jahrtausende währenden Plünderung durch fremde Mächte ist Afrika, die einstige Wiege der Menschheit, bislang ein Leben sprühender Kontinent geblieben. Regelmäßige Sklavenjagden, Eroberungs- und Kolonialkriege, fürchterliche Strafexpeditionen, Zwangsarbeit als scheinheilige, aber wirksame Um- Etikettierung für Sklavenarbeit und die Industrialisierung nach den Normen eines Haifischkapitalismus, konnten die Lebenskraft des schwarzen Kontinents ebenso wenig brechen wie Naturkatastrophen und Hungersnöte.

Es musste erst ein tödlicher Virus gefunden werden, der die Kraft Afrikas wirklich bis ins Mark trifft, weil es diesem unsichtbaren, teuflischen Wurm, der unersättlich und unerbittlich am seinem Lebensfaden nagt, hilflos ausgeliefert scheint.

Es spricht einiges dafür, dass dieser nicht der Erde Afrikas entspringt, sondern im Reagenzglas eines Zauberlehrlings im blütenweißen Unschuldskittel eines Wissenschaftlicher geschaffen wurde. Das plötzliche Auftreten und die explosionsartige Ausbreitung der Immunschwäche sowie ihr absolut tödlicher Ausgang widersprechen aller bisherigen Erfahrung, die besagt, dass eine Bevölkerung gegen heimische Krankheiten weitgehend gefeit ist. Das etwa auch für die Pest. In Ostasien "beheimatet", verläuft auch diese schwere Krankheit dort kaum tödlich, während sie, nach Europa eingeschleppt, eins ganze Landstriche entvölkert hat. Eine ähnlich verheerende Wirkung hatten die dort unbekannten Masern oder die Grippe bei den Völker Amerikas. Es wird einiger Mühen bedürfen, den Verdacht, bei AIDS handle es sich um ein außer Kontrolle geratenes Experiment zu entkräften, zumal es nicht das erste Mal wäre, dass Menschen ahnungslos für medizinische Versuche benützt werden.

Wenigstens die Absicht, Experiment mit Menschen durchzuführen, belegt eine Geschichte, die sich vor Jahren bei MISSIO- München abgespielt hat.

Beim damaligen Präsidenten hatte sich Besuch angemeldet, ein hoher Vertreter einer Pharmafirma. In dem folgenden Gespräch ist einleitend die Rede von der Not der Menschen, besonders von Müttern und deren Kindern, von unnötigem Leid wegen fehlender Medikamente, von der skandalös kurzen Lebenserwartung von Millionen. Die moralische Verpflichtung, diesem Zustand nach Kräften ein Ende abzuhelfen, lässt keinen Zweifel zu. Der Vertreter weiß, wen er vor sich hat: Den Verantwortlichen eines international verbreiteten und verzahnten Hilfswerkes der katholischen Kirche, dem jedes Menschenleben heilig sein muss. Er macht ein Angebot: Eine moderne Klinik irgendwo in einem Land des Südens, dort, wo eine solche Einrichtung gerade am notwendigsten erscheint. Kosten spielten keine Rolle.

Auf der Suche nach dem Pferdefuß bei einen scheinbar so selbstlosen Angebot, ist die Frage unausweichlich: "Welche Bedingungen sind an diese Millioneninvestition geknüpft?" Zuerst behutsam angedeutet, dann mehr oder minder offen, kommt die Antwort: "Sie kennen ja die enge Gesetzgebung und die bürokratischen Hürden hierzulande. Sie zögern einen raschen Einsatz vielversprechender Medikamente oft um Jahre hinaus, während Patienten mit letzter Hoffnung darauf warten". Im Klartext, können Sie es verantworten, wenn Kranke deshalb leiden oder frühzeitig sterben, weil die notwendige Erprobung von Heilungsmethoden oder Medikamenten an Menschen verhindert wird.? Selbstverständlich sollte dabei, wie gewohnt, "arbeitsteilig" vorgegangen werden. Der Teil "Experimente am Menschen" war den Armen des Südens zugedacht, die Anwendung im Falle positiver Ergebnisse, war in erster Linie für die Patienten der finanzkräftigen Gesellschaft des Nordens geplant. Schließlich müssten Investitionen sich "rechnen".

Ein Beispiel solchen Denkens war die Weigerung der Pharmaindustrie, Präparate gegen AIDS zum Herstellerpreis abzugeben oder in Lizenz, und damit nochmals billiger, herstellen zu lassen. Der Republik Südafrika ist es erst mit Hilfe weltweiten Protests unter dem Titel "nationale Notstandsmaßnahme" gelungen, sich gegen die Interessen der Pharmakonzerne durchzusetzen.

Damit wären wir bei einem Land, das wie kaum ein anderes den Anschluss an die "Zivilisation" gefunden und trotz hohen technischen Standards zutiefst bedroht ist, weil ihm die aktive Bevölkerung regelrecht wegstirbt.

Dass die Geißel AIDS dort so wütet, hat vielfache, vor allem soziale Gründe. Für die Republik Südafrika ist der Bergbau nicht nur die Schlüsselindustrie, er bildet auch den Schlüssel für die sozialen Probleme.

Schon vor der Erfindung der abscheulichen Apartheid leben Tausende von Männern in Lagern, eingezwängt zwischen der Knochenarbeit Untertage, der Massenunterkunft und der Kantine, fernab von ihren Angehörigen, Frau und Kindern, denen zudem der Zugang zu den Lagern verwehrt ist. Viele suchen Trost und Vergessen bei bezahlten Liebesdienerinnen, deren Dienst sie mit anderen teilen. In der Fachsprache heißt das Promiskuität, soviel wie Vermischung, und diese gilt als Herd Nummer eins für alle Arten von Seuchen.

Wer über afrikanische Männer in dieser Situation die Nase rümpfen wollte, sollte sich über das Verhalten von Soldaten, auch deutschen Landsern, in Lagern aufklären lassen.

Seit dem dauerhaften Eindringen der Europäer in den afrikanischen Kontinent sind die traditionellen Gesellschaftsordnungen gestört, wurde eigenständige Entwicklung verhindert. Dafür tragen die ehemaligen Kolonialmächte, ihre Nachfolgeregierungen und fremde Siedler auf dem Kontinent erhebliche Verantwortung.

Der afrikanische Mensch wurde von Anfang an wirtschaftlichen und politischen Interessen untergeordnet, nicht selten geopfert. Nach der Unabhängigkeit in die sog. Stellvertreterkriege hineingezogen, genügte es für kriminelle Führer wie Savimbi, Bokassa, Mobutu und sogar Idi Amin, dem ehemaligen Feldwebel der britischen Armee, sich antisowjetisch zu gebärden. Damit war ihre Duldung durch den Westen gesichert, eine "Einmischung in innere Angelegenheiten" zugunsten von Menschenwürde und Menschenrechten durch die Westmächte kam nicht mehr in Frage.

Ein übriges tat die einseitige Förderung von Industrie zu Lasten der Landwirtschaft mit der Folge einer Landflucht, die kein Staat der Erde hätte verkraften können. Townships, Slums, Shantitowns oder Favelas, wie immer diese Elendsgürtel rund um den Erdball heißen, sie zermürben die Selbstachtung und Würde des Menschen, werden zu Brutstätten nicht nur von Kriminalität, sondern auch von Seuchen.

Wenn sich der Verdacht eines außer Kontrolle geratenen Versuches an Menschen zur Gewinnung dosierter Immunschwäche als Hilfsmittel bei Organverpflanzungen erhärten sollte, wird es dennoch geraume Zeit dauern, bis die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Afrika würde sich ein weiteres Mal als Opfer erweisen. Vielleicht will sie dann aber schon niemand mehr hören, weil die Seuche tatsächlich zur "Pandemie", d.h. den ganzen von Menschen bewohnten Erdball umfassend, zum alltäglichen Schicksal geworden ist.

Das bisher Gesagte mag im Bereich der Spekulation liegen. Wirklichkeit ist die geistige Umweltverschmutzung, für die Fernsehprogramme "zivilisierter Gesellschaften" verantwortlich sind und die einen erheblichen Teil zur Zerstörung menschlicher Beziehungen beitragen. Die unersättliche Gier nach einem möglichst hohen Bankkonto im Ausland, das einen entsprechenden und "zivilisierten" Lebensstil erlauben, die Bestechung von Politikern im Wettbewerb der internationalen Wirtschaftskonkurrenz um Aufträge und Konzessionen, die Hemmungslosigkeit mit der das Recht des Stärkeren propagiert und die Beziehung zwischen Mann und Frau bis zur Abartigkeit auf pornographisches Verhalten reduziert wird - all das ist dank der Flimmerkiste bis in den hintersten Busch als zivilisatorische Errungenschaft zu sehen. Dass Prostituierte sich im englischsprachigen Teil Afrikas mit Vorliebe "Mary" nennen, deutet ebenfalls die Herkunft dieses bei uns neuerdings auch gesetzlich anerkannten Berufstandes hin.

Es wäre falsch, das alte Afrika als einen unschuldigen Kontinent, ohne die üblichen Scheußlichkeiten, deren der Mensch fähig ist auszumalen. Kriege, Massaker, Sklaverei und die Ausbeutung der Frau gab es dort ebenso, wie auf den anderen Kontinenten, lange bevor ein Fremder ihn betrat. Nur, die Möglichkeiten dank Fortschritt und damit auch die Zahl der Opfer hat sich vervielfacht. Ohne die erhofften Rohstoffe hätte es vermutlich die Aufteilung Afrikas unter die Kolonialmächte nicht gegeben. Ohne die Hilfe der Industrieländer gäbe es dort keine Flugzeuge, Bomben, Panzer und Kanonen. Ohne das Wohlwollen und die Hilfestellung der westlichen oder kommunistischen Welt, wären die eigenen, schrecklichen Potentaten der jüngsten Zeit nie ans Ruder gekommen, hätte es die "Stellvertreterkriege" und "Befreiungsarmeen" verschiedenster Richtung nicht gegeben.

Das Ausmaß der Entwurzelung und Orientierungslosigkeit zwischen den alten, ererbten Ordnungen und der über die Menschen hereingebrochenen Moderne, geht auf das Konto der gewaltsamen "Zivilisierung Afrikas".

Natürlich gab es früher Armut und Hungersnöte auf dem schwarzen Kontinent, wie anderswo auch. Aber Geld besitzen zu müssen, um seinen Hunger stillen zu können, dies ist immer noch für viele eine neue, schmerzliche Erfahrung. In Tausenden von Fällen führte dies auch in Afrika zur Armutsprostitution. Frauen verkaufen sich, Kinder werden psychisch kranken Touristen als Lustobjekte angeboten, Geschäftemachern als billigste Arbeitskräfte verschachert.

Dazu kommt die ebenfalls neue, allgegenwärtige Versuchung zum Konsum. Afrikanische Menschen sind ebenso anfällig wie unsereins für überflüssige Dinge, die der Bequemlichkeit, dem eigenen Ansehen, vor allem aber dem Markt der Industrienationen dienen. Dass solche Ware meist eingeführt werden muss, also wertvolle Devisen kosten, die für Bildung und den einfachsten Gesundheitsdienst fehlen. Beste Voraussetzungen also für eine Brutstätte der "Pandemie", einer Wortschöpfung, die "Epidemie" ablöst, weil die tödliche Immunschwäche tatsächlich den ganzen bewohnten Globus (griechisch: pan = allumfassend) befallen hat und naturgemäß dort am schlimmsten wütet, wo das Elend am größten ist.

Aufgrund der Armut werden Kinder geboren und können nicht vor der Seuche geschützt werden, weil die notwendigen Einrichtungen bzw. das Geld dafür fehlt. Gesunde Kinder werden vorzeitig zu Waisen, weil für die erkrankten Eltern die lebensverlängernden Medikamente unerschwinglich sind. Weil Großeltern nicht mehr in der Lage sind, die Enkel durchzubringen, ist die kommende Generation bereits fürs Elend bestimmt. Ohne den Halt einer Familie ist sie den tödlichen Gefahren des Suchens nach Liebe und Geborgenheit auf dem falschen, todbringenden Weg ausgesetzt. Der seelische Schaden an jungen Heranwachsenden ist nur zu erahnen, wenn die aufkeimende Liebe zueinander von der Angst begleitet wird, der oder die Geliebte könnten schon von Geburt an den tödlichen Virus in sich tragen.

Man mag bei der ersten Generation von HIV-Toten noch vom Selbstverschulden ausgegangen sein und aus Unkenntnis die Vorstellung genährt haben, bei den Opfern der Immunschwäche handle es sich um Schwule, Prostituierte und andere Leute, die ihre Sexualität wild und verantwortungslos ausleben und damit selbst an ihrem Schicksal schuld sind. Folglich hat es auch nicht an voreiligen und selbstgerechten "Propheten" gefehlt, die lauthals und in pharisäischer Manier: " Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen.." von persönlicher Strafe Gottes sprachen.

Längst, wie gesagt, werden Kinder geboren und bei der Geburt von der Seuche angesteckt. Die manchmal noch anzutreffende Überheblichkeit ist also fehl am Platze. Das gilt für die Unschuldigen, aber auch etwa gegenüber den anderen: Männern, die als Bergarbeiter, Wanderarbeiter und Fernfahrer monatelang von ihrer Familie getrennt sind, sich anstecken und in ihrer Unwissenheit die Krankheit in die Familie bringen: Frauen, und da wird die Überheblichkeit noch unerträglicher, die keine andere Möglichkeit haben, ihre Kinder zu ernähren, als sich selbst anzubieten. Menschen abzuurteilen, deren Schicksal die meisten von uns kaum erahnen, wäre blanker Pharisäismus angesichts der eigenen Gesellschaft, die eine bisher ungekannte "Durchlässigkeit" einschließlich ehelicher Beziehungen pflegt. Es ist die finanzielle Möglichkeit, Hygieneartikel zu erstehen und nicht die größere Treue oder bessere Moral, die die Zahl AIDS-Kranker bei uns nur langsam steigen lässt und für Erkrankte den Tod um Jahre hinausschiebt. Es ist zutiefst ungerecht, aus der sozialen Hängematte heraus über Menschen urteilen, die buchstäblich auf dem Boden vegetieren. Mit den Worten Jesu heißt das: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie" (Joh 8,7). Wohlgemerkt, dieses Wort ist in einer Situation gesprochen, in der laut mosaischem Gesetze die Steinigung Vorschrift war, d.h. im Verständnis der damaligen Zeit lag ein todeswürdiges Verbrechen vor. Offensichtlich dachte Jesus hierbei auch an die größere Schuld der Männer, die zu ihren Gunsten die Schuld des Mannes unbeachtet ließ entgegen der bei Mose auch für ihn vorgesehenen Strafe. ( vgl. Lev. 20, 10 und Dtn 22,22-24).

Schon damals zeigte sich, dass "Armut weiblich" ist. Arme müssen meist früher und elender sterben und Kinder von Elenden haben von jeher kaum eine Chance.

Natürlich wäre - eine gesunde Geburt vorausgesetzt - ein Leben nach den Normen der Zehn Gebote der sicherste Weg, die Seuche langsam aussterben zu lassen. Damit so etwas gelingen könnte, bedarf es allerdings wichtiger Voraussetzungen, die in einer gigantischen Anstrengung aller erst noch zu schaffen sind. Noch sind vor allem die Industriestaaten nicht bereit, diese zu leisten, wie die 14. UN-Aids-Konferenz im Juli in Barcelona gezeigt hat. Schließlich müsste in sog. Entwicklungsländern die Brutstätte Armut beseitigt werden. Unsere Anstrengung wäre übrigens kein rein karitatives, vom Mitleid getragenes Sichhinablassen zu den Todgeweihten in anderen Kontinenten und Ländern. Schließlich mussten wir inzwischen erfahren, dass als lebensrettend gedachte Blutübertragungen auch in unserem Land den Todesvirus in sich bargen, Blutspendende ebenso wie Ärzte und Krankenschwestern bei ihrem Samariterdienst angesteckt wurden und Autofahrer verpflichtet sind, einen Erste-Hilfe-Kasten mit Handschuhen mitzuführen, um, erst so geschützt, etwa blutenden Verletzten beistehen zu dürfen.

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich mit dieser Erfahrung eine Unzahl von Ansteckungsmöglichkeiten auszumalen; im eigenen Umfeld, auch innerhalb der Familie, wenn ein Mitglied bekannt oder unerkannt diese Krankheit in sich trägt.

Es ist z.B. kaum vorstellbar, ein heulendes Kind mit einer Schürf- oder Schnittwunde solange abzuweisen, bis Handschuhe gefunden und übergestreift sind, um vor Ansteckung sicher zu sein. Sicher zu sein nicht vom eigenen Kind infiziert zu werden, das möglicherweise von Hebamme, von einem Arzt, von einem unerkannt angesteckten, blutenden Spielkameraden den Virus aufgenommen hat.

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Elend und dem Wissen, wie sich die Krankheit ausbreitet, je weniger die Armut in der Hygiene bei der Geburt, bei einem Krankenhausaufenthalt und im eigenen Umfeld möglich macht und je weniger Geldmangel es erlaubt, zu erforschen, wer den Erreger in sich trägt, um so deutlicher wird der Zusammenhang zwischen der Armut und dieser schrecklichen Seuche.

Längst werden nicht nur in Afrika, Ostasien, in der Karibik oder in Osteuropa Kinder geboren, die als Säuglinge angesteckt werden.

Dass in dieser Situation Kirchen in den Entwicklungsländern ein besonderes Lob erfahren, u.a. auch vom Bundespräsidenten Johannes Rau, kommt nicht von ungefähr. Schließlich sind es dort oft genug, wie einst bei uns bis ins 20. Jahrhundert, die Kirchen, die sich um Kinder, Kranke und Alte kümmern. Konkret, Ordensschwestern und Diakonissinnen, unerschrocken Frauen einer Gemeinde, die sich um die notwendige Aufklärung bemühen, in ihrem Glauben die Kraft finden, Kranke und Sterbende zu begleiten und die zurückgebliebenen Waisen, ob kranke oder gesunde, aufzunehmen. Es sind nicht zuletzt auch Ordensfrauen aus unserem Land, die die tägliche Not und Armut mit tragen. Weil sie die ständige Verschlechterung der Lebensumstände in Afrika z.T. über ein Lebensalter hinweg beobachten, suchen sie die Schuldigen in erster Linie bei fremden Interessen außerhalb Afrikas und einer fast allgemeinen, unerträglichen Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Bevölkerung eines ganzen Kontinents. Die Gewissem aufzurütteln, war die Absicht der UNO-Konferenz in Barcelona, ist es auch die Kampagne zum diesjährigen Monat der Weltmission, damit niemand mehr sagen kann, nichts von der dramatischen Situation gewusst zu haben. Nach den alten moralischen Vorstellungen konnte man erst von schwerer Schuld sprechen, wenn drei Bedingungen erfüllt waren. 1. musste es sich um eine schwerwiegende Sache handeln. 2. musste die volle Einsicht in die Verwerflichkeit des Denkens oder Tuns vorliegen und 3. durfte der freie Wille in keiner Weise eingeschränkt sein.

Unter dieser alten Richtlinie für moralisches Handeln kämen die meisten mitschuldigen Opfer glimpflich davon, von den unschuldigen ganz zu schweigen. Für die westliche Zivilisation, welcher der schwarze Kontinent in einer langen, weithin unheilvollen Geschichte ausgeliefert war und ist, bedeutet das Wort Jesu: "Darum liegt die größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat" nicht weniger als ein Schuldspruch. Den für das eigene Gewissen unbequemen Kontinent als "Vergessenen Kontinent" abzutun, müsste zu den "himmelschreienden Sünden" gerechnet werden, weil auch das vergiftete Blut wie einst das unschuldige Blut Abels um Rache zum Himmel schreit.

P. Dr. Othmar Noggler

Netz-Info, September 2002
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