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Flüchtlinge und Religion

Über die Bedeutung von Glaube in der Arbeit mit Flüchtlingen – Gemeinsamer Studientag von AcKiB und Refugio

von Elisabeth Dieckmann

An dem Studientag nahmen 28 Personen teil. Die meisten waren in ihren Kirchengemeinden oder in Initiativen in der Flüchtlingsarbeit aktiv; einige hatten aber auch keine praktische Erfahrung und waren aus Interesse am Thema gekommen. Positiv zu vermerken ist, daß auch einige jüngere TeilnehmerInnen dabei waren. Einige Teilnehmende empfanden es als hilfreich, daß gerade die AcKiB das Thema aufgegriffen hat, weil das Thema »Flüchtlinge« in ihren Augen in Kirchengemeinden noch zu wenig auf Interesse stößt.

Während des Studientags wurde die Arbeit von Refugio vorgestellt, und es fanden Workshops zu folgenden Themen statt:

Die Frage nach der Rolle des Glaubens für die Arbeit mit Flüchtlingen wurde sowohl im Zusammenhang der Vorstellung von Refugio als auch im Schlußplenum thematisiert. – Einsichten und Ergebnisse aus Referaten, Workshops und Plenumsdiskussionen:

Refugio ist ein Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer mit Sitz in München, das sich über einen Trägerverein und Spenden finanziert. Charakteristisch sind zum einen das multikulturelle Team und zum anderen der Grundsatz, daß Therapie und Sozialarbeit zusammengehören. Hinter diesem Grundsatz steht die Einsicht, daß die Situation der Flüchtlinge in Deutschland oft retraumatisierend wirkt, so daß praktische Hilfe (z. B. beim Umgang mit Behörden) zugleich therapeutische Wirkung hat.

Zur Gesetzeslage in Deutschland: Die Asylrechtsänderung wird von manchen als faktische Abschaffung des Asylrechts bewertet, weil Flüchtlinge aufgrund der Drittstaatenregelung nur noch dann eine Chance auf Aufnahme haben, wenn sie auf dem Luftweg (oder mit Hilfe von Schleppern unter Verschweigen des Reisewegs) nach Deutschland eingereist sind. Der Begriff der politischen Verfolgung, die das Recht auf Asyl begründet, ist relativ eng gefaßt. So werden z. B. Flüchtlinge aus Afghanistan nicht als politisch Verfolgte anerkannt, weil es in Afghanistan keine anerkannte Regierung gibt; auch die Vergewaltigung von Frauen im Krieg gilt nicht als politische Verfolgung. Ein kleiner Teil der Flüchtlinge bekommt in Deutschland politisches Asyl, andere werden geduldet, wieder andere abgeschoben. Abhängig von ihrem Status haben Flüchtlinge unterschiedliche Rechte in Deutschland.

Viele Flüchtlinge haben traumatische Erlebnisse hinter sich und sind daher therapiebedürftig. Ihre psychischen Störungen drücken sich in ganz verschiedenen Symptomen aus. Erschwerend wirkt zum einen, daß die Flüchtlinge Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten haben und sich in einer fremden Kultur zurechtfinden müssen. Zum anderen können sie oft nicht über das Erlebte sprechen, weil sie Scham empfinden oder weil man aus anderen Gründen nicht darüber reden darf (letzteres trifft z. B. in Südamerika auf »verschwundene« Verwandte zu). Es gibt verschiedene Formen der Therapie mit Flüchtlingen, wobei immer berücksichtigt werden muß, daß sie in unserer westlichen Kultur verwurzelt sind. Bei der Therapie mit Flüchtlingen ist grundlegend, daß sie wieder Vertrauen zu Menschen gewinnen können. Deshalb pflegen die TherapeutInnen auch persönliche Kontakte zu ihren PatientInnen, was sonst nicht üblich ist.

Den Glauben der Flüchtlinge kann man als Ressource betrachten, die sie mitbringen. Er drückt sich oft schon in bestimmten Redewendungen, in Gesten oder Körperhaltungen während eines Gesprächs aus. Die Möglichkeit zu beten, mit Gott zu sprechen, kann den Flüchtlingen niemand nehmen. Glaube und Gebet können ein Stück Heimat sein. Das Erlittene ist für die Flüchtlinge nicht unbedingt Anlaß, Gott in Frage zu stellen. Sie thematisieren zwar die Frage, daß bestimmte Formen von Leid überhaupt möglich sind, sie sind aber wenig geneigt, Gott als »Schuldigen« zu betrachten. Rachegedanken können in die Hoffnung umgewandelt werden, daß Gott letztlich Gerechtigkeit schaffen wird.

Durch die gemeinsame Erinnerung daran, welcher religiöse Festtag im Heimatland jeweils ist, kann die Solidarität unter den Flüchtlingen gestärkt werden. Eine Schwierigkeit besteht darin, daß in Unterkünften für Flüchtlinge in der Regel keine Gebetsräume oder Kapellen eingerichtet werden. Sie haben oft wenig Möglichkeiten, ihren Glauben zu leben.

Elisabeth Dieckmann

Netz-Info, Advent 1999

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